Was haben das Königreich Bhutan und Mannheim gemeinsam? Sowohl in dem kleinen Binnenstaat in Südasien als auch in der Stadt an Neckar und Rhein gibt es ein Glücksministerium. Während sich das weltweit einzig echte Glücksministerium in Bhutan um die staatlich verordnete Steigerung des Bruttonationalglücks kümmert, ist das Mannheimer Ministerium für Glück und Wohlbefinden ein interaktives Kunstprojekt, allerdings mit gleicher Zielsetzung.
Einzige Mitarbeiterin und damit deutsche Glücksministerin ist Kommunikationsdesignerin Gina Schöler. Entstanden ist die Idee eines "Ministeriums für Glück und Wohlbefinden" 2012 anlässlich ihrer Masterarbeit. Die Studenten der Hochschule für Gestaltung sollten mit ihrer Abschlussarbeit einen Wertewandel in der Gesellschaft anstoßen und die Sinnhaftigkeit des kreativen Wirkens aufzeigen, so die damalige Vorgabe des Professors.
Brief an eine unbekannte Person
Gina Schöler ist dabei geblieben und seitdem selbst ernannte Glücksministerin, sie fühlt sich zuständig für das Glück und Wohlbefinden von derzeit rund 83 Millionen Bundesbürgern. Und sie tut einiges dafür, ihre selbstgewählte Aufgabe, die sie mittlerweile hauptberuflich ausführt, gewissenhaft zu erfüllen. Neben Workshops, Vorträgen und kreativen Events zum Thema ist natürlich der jedes Jahr am 20. März stattfindende Weltglückstag eine besondere Herausforderung für Gina Schöler. Ihre diesjährige Aktion zu diesem besonderen Tag trägt den Titel "schreibdichglücklich". Über Facebook und ihre Webseite rief sie Ende Januar Fans und Anhänger dazu auf, einen Brief an einen anderen Teilnehmer der Aktion, und damit an eine völlig unbekannte Person, zu schreiben.
Gina Schöler traf damit offenbar voll ins Schwarze. "Gerechnet habe ich mit 200 bis 300 Teilnehmern. Doch dann teilten Prominente wie Eckart von Hirschhausen meinen Aufruf, und die Sache wurde zum Selbstläufer", so die 30-Jährige. Innerhalb kürzester Zeit wollten so viele Menschen bei ihrer Aktion mitmachen, dass die Bewerbung gestoppt werden musste. Als die Teilnehmerzahl auf die 4000er Marke zusteuerte, war klar: "Es besteht Bedarf, wonach auch immer", freut sich Gina Schöler über den Erfolg.
So liefen alle Anfragen in ihren E-Mail-Account. Ganz schön viel Arbeit für die Glückministerin. Aber sie hat es geschafft, alle Teilnehmer haben die Adresse ihres Briefpartners erhalten, und es konnte losgeschrieben werden. Um den Einstieg zu erleichtern und die Fantasie zu beflügeln, bekam jeder eine Impulsfrage mit auf den Weg. Zum Beispiel "Was bereust du, nicht getan zu haben" oder "Fühlst du dich frei?". Bedingung war: Der Brief an einen Unbekannten soll spätestens am heutigen Weltglückstag beim Anderen im Briefkasten liegen.
Warum fasziniert die Aktion so? "Vielleicht ist es der Reiz, einer fremden Person zu schreiben", mutmaßt Glücksministerin Gina Schöler. Wenn man die Briefeschreiber selbst fragt, wird es konkreter. "Ich finde es schade, dass mir beim Wort ,Briefkasten' zuerst mein Mailkonto einfällt und ich kaum noch analoge Post erhalte, von Rechnungen und Kontoauszügen mal abgesehen", beschreibt Lorena Mayer die Motivation für ihre Teilnahme.
"Es ist toll, dass die Digitalisierung so viele Dinge einfacher macht, und ich möchte auf Vieles davon nicht mehr verzichten. Aber hier finde ich es schön, alles Elektronische beiseitezuschieben und mich in die Zeit zurückzuversetzen, als wir uns in der Schule Zettelchen zugeschoben haben, anstatt über Whatsapp zu schreiben", so die Mannheimerin weiter. Auch Katharina Frölich aus Weinheim war sofort begeistert. "Ich bin ziemlich schnell ins Schreiben gekommen. Ich habe einfach verschiedene kleine Anekdoten in Bezug auf meine Frage ,Was mochtest du besonders in deiner Kindheit?' erzählt und dazu dann jeweils ein Fazit zum Ausprobieren mitgeschickt."
Kleine Gesten und Aktionen
Auch Julia Kleiner aus Mannheim hat bereits einen Brief geschrieben. "Mit kleinen Gesten und Aktionen Stück für Stück ein bisschen mehr Glück in die Welt zu zaubern, finde ich super. Spannend ist auch, herauszufinden, was andere Menschen unter diesem Konzept verstehen. Die Person, der ich geschrieben habe, wohnt gar nicht so weit weg. Wenn es sich ergibt und sie sich zurückmeldet, lade ich sie gerne ein."
Für Kilian Mathan ist die Aktion des Glücksministeriums eine tolle Möglichkeit, eine Person auf eine für heutige Zeiten altmodische Art kennenzulernen. Der Heidelberger gesteht: "Spannend fand ich es, dem Drang zu widerstehen und den Namen meiner Briefpartnerin nicht gleich bei Facebook zu suchen." Wenn er Glück hat, findet er stattdessen heute einen Brief von ihr im Briefkasten.
Das Projekt
- Das Ministerium für Glück und Wohlbefinden ist ein interaktives Kunstprojekt mit Sitz in Mannheim, das sich mit den Themen Glück und Lebensfreude auf kreative Art und Weise auseinandersetzt.
- Die Kommunikationsdesignerin Gina Schöler hat das Projekt nach Abschluss ihres Studiums weitergeführt und ausgebaut. Das Logo ähnelt dem der Bundesministerien, der Name "Ministerium für Glück und Wohlbefinden" ist mittlerweile beim Markenamt geschützt.
- 2016 hat Gina Schöler das Buch zum Projekt geschrieben. "Das kleine Glück möchte abgeholt werden" ist im Campus Verlag erschienen. (pet)
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