Mannheim. Wegen einer Gruppe unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA), die regelmäßig durch Straftaten auffallen, hat sich der Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) an den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU) gewandt. Der OB fordert in einem Brief, der dem "Mannheimer Morgen" vorliegt, kurzfristig Voraussetzungen für eine „geschlossene Unterbringung“ der straffälligen Jugendlichen zu schaffen. „Bei dieser Personengruppe besteht keinerlei Mitwirkungsbereitschaft oder Interesse an einer Integration“, so Kurz. Die Bevölkerung nehme es als "Staatsversagen" wahr, wenn die meist strafunmündigen Täter - deren Identität zudem oft unklar sei - nicht zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Zunächst hatten die Stuttgarter Nachrichten über den Brief berichtet.
Der Innenminister sprach in einer Reaktion von einem Thema, das ihn schon lange umtreibe. "Es ist absolut nicht zu akzeptieren, wenn Personen, die bei uns den Schutz unserer Gesellschaft erbitten, dann fortwährend gegen die Regeln unserer Gesellschaft verstoßen", teilte Strobl am Freitag mit. Das Ministerium ermutige Ausländerbehörden, die rechtlichen Möglichkeiten zur Altersbestimmung auszuschöpfen.
Vor einem Monat hatte der "Mannheimer Morgen" von zehn Jugendlichen, junge Flüchtlinge aus Marokko und Algerien, berichtet. Diese Gruppe mache der Polizei besonders zu schaffen, sagte Polizeisprecher Norbert Schätzle. Sie zeigten „kein Interesse an einer Integration. Angebote der Jugendhilfeeinrichtungen werden abgelehnt, Gesetze und Verordnungen bewusst immer wieder gebrochen“. Nur wenige der kriminellen Flüchtlinge seien der Stadt Mannheim zur Unterbringung zugeteilt – der Großteil befinde sich in der sogenannten vorläufigen Inobhutnahme des Jugendamtes. Das heißt: Eigentlich sind andere Städte für diese Jugendlichen zuständig. Sie kommen aber immer wieder nach Mannheim zurück, etwa weil sie hier Bekannte haben. Das Jugendamt muss sie dann vorläufig aufnehmen.
Insgesamt leben derzeit rund 230 in Kinderheimen, Wohngruppen und bei Gastfamilien.
"Die verantwortlichen Ministerien im Land, vornehmlich Innen- und Sozialministerium, müssen jetzt prüfen, wie kurzfristig Voraussetzungen geschaffen werden können, um dem Problem in Mannheim Herr zu werden", sagte der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Wolfgang Reinhart einer Mitteilung von Freitag zufolge. Damit erhielten auch andere Kommunen die Möglichkeit zu handeln, sollten sie in eine ähnliche Situation wie Mannheim kommen.
Kriminologie-Professor: Zentrale Einrichtung des Landes "vorstellbar"
Der Heidelberger Kriminologie-Professor Dieter Hermann, der für die Stadt Mannheim die unlängst vorgestellte Sicherheitsbefragung leitete, sprach in diesem Zusammenhang von "Gewalt legitimierendem Männlichkeitsverhalten" als möglicher Ursache von Kriminalität in diesem Personenkreis. Zudem litten viele Geflüchtete unter posttraumatischen Belastungsstörungen, die oft mit aggressivem Verhalten einhergingen. Entsprechende Therapien oder Präventionsansätze könnten Kommunen nicht leisten. "Es wäre aber vorstellbar, junge Menschen, die an solchen Störungen leiden und die therapiefähig sind, in einer zentralen Einrichtung des Landes zusammenzubringen". Deutsche Sprachkenntnisse seien dabei nicht unbedingt erforderlich, "es gibt hier auch nonverbale Therapien". Auch beim Thema Männlichkeitsverhalten sei "realistisch nicht zu erwarten, dass sich ein solches Verhalten kurzfristig ändern lässt". Aber es gebe durchaus vielversprechende begleitende Projekte für Schüler, die auf eine allmähliche Änderung und die Akzeptanz sozialverträglicher Werte abzielten.
Auch Peter Schäfer, kommissarischer Leiter des Rathaus-Fachbereichs Kinder, Jugend und Familie, hat seine Erfahrungen mit den kriminellen minderjährigen Flüchtlingen gemacht. „Die üblichen Sanktionsmaßnahmen wie Taschengeld kürzen oder Handy wegnehmen greifen bei diesen Jugendlichen nicht“, sagte er Ende Oktober auf Anfrage. Auch aus anderen Städten kenne Schäfer solche Probleme. „Da kommen wir vor Ort – die Jugendhilfe, die Polizei und die Staatsanwaltschaft – an unsere Grenze. Wir können das hier nicht alleine lösen.“ Deshalb sei man mit dem Landesjugendamt und mit Ministerien im Gespräch. Dort soll es um „konkrete Antworten“ auf die Problemlage gehen.
Polizeisprecher Schätzle und der kommissarische Fachbereichsleiter Schäfer stellten aber auch klar, dass es bei der kriminellen Gruppe um einen sehr kleinen Anteil der in Mannheim betreuten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gehe. (jwd/imo/stp/scho/dpa)
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