Mit „Entsetzen“ reagierten Kommunalpolitiker des Gemeinderats auf den Weiterverkauf der Turley-Baufelder 4 und 5 zum sechsfachen Kaufpreis. „Dieses skrupellose Vorgehen des Investors Tom Bock verurteilen wir auf das Schärfste“, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Reinhold Götz. Bock habe „allem Anschein nach diese Grundstücke im Jahre 2015 nur deshalb erworben, um sie sich später durch ein Weiterreichen vergolden zu lassen“, so Götz. Jedenfalls sei ein solcher Preisaufschlag „durch nichts zu rechtfertigen“.
Der Frankfurter Architekt und Investor Tom Bock hatte für sechs Millionen Euro in Turley gekauft. Der 58-Jährige veräußerte die etwa 13 000 Quadratmeter - das entspricht der Größe von zwei Fußballfeldern - nun wie berichtet für 36 Millionen Euro weiter. Eine sogenannte Wertschöpfungsklausel, also die Beteiligung des Verkäufers an Spekulationsgewinnen, wurde in den Kaufverträgen nicht festgelegt.
Dies bestätigte der Geschäftsführer der städtischen Projektgesellschaft MWSP, Achim Judt, dieser Zeitung: „Der Verzicht auf eine Aufpreisklausel ist vor dem Hintergrund der damaligen Entwicklung zu bewerten: 2012 galt der Immobilienmarkt als ‚schwer vorhersehbar‘, die Immobilien- und Finanzkrise von 2008 lag erst wenige Jahre zurück“, so Judt per Email. Seit Mitte 2017 würden mit Blick auf die eingetretene Marktdynamik aber Aufpreis- oder Rücktrittsregelungen in den Kaufverträgen der MWSP vereinbart. Investor Bock hatte sich 2012 bei seinem Einstieg auf dem Turley-Altbestand eine Kaufoption auf die unbebauten Baufelder 4 und 5 gesichert, die er 2015 in Anspruch nahm.
Grüne: „Mühe, Mieten zu bremsen“
Der wohnungspolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Fontagnier, teilte mit: „Ein privater Besitzer versilbert, besser vergoldet, binnen weniger als vier Jahren Grundstücke. Und dies in einer Zeit, in der wir alle Mühe haben, die Mieten zu bremsen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Diese Art von Bodenspekulation ist genau das, was wir nicht wollen.“ Für die Linkspartei kritisierte Thomas Trüper, dass soziale Auflagen und sonstige Qualitätskriterien nicht ins Grundbuch als Dienstbarkeit eingetragen werden und damit auch für Rechtsnachfolger bei Weiterverkäufen bindend sind.
Dies bemängelte auch Volker Beisel (FDP), der grundsätzlich eine mangelhafte Information durch die Stadtverwaltung kritisierte. „Es ist das Grundproblem der Konversion, dass alle Vorgänge in eine Tochtergesellschaft ausgelagert worden sind und wir Stadträte nichts erfahren.“ Beisel hätte sich beispielsweise gewünscht, dass der Bau der Tiefgarage unter dem Appellplatz als verpflichtende Last in die Verträge über den Grundstücksverkauf aufgenommen worden wäre.
Für die CDU kritisierte Fraktionsvorsitzender Claudius Kranz den Verzicht auf die Wertschöpfungsklausel: „Die Erklärung mit der Finanzkrise überzeugt mich nicht“, sagte er. Offenbar habe die Stadt nicht genügend juristische Beratung durch Immobilienspezialisten nachgefragt. Zudem habe man damals, am Beginn der Umwandlung militärischer Flächen für die zivile Nutzung noch nicht genügend Erfahrung mit der Materie gehabt.
Roland Weiß (Freie Wähler) wies auf eine Ratsvorlage vom Dezember 2018 hin, in der es um Bebauungsplanänderungen auf Teilen des Turley-Areals geht. Zu diesem Zeitpunkt sei auch der MWSP-Aufsichtsrat über den Weiterverkauf der Grundstücke durch Tom Bock informiert worden. In der Vorlage (V744/2018) findet sich ein Satz, den man als Hinweis auf die Bodenspekulationen interpretieren könne. Dort steht: „Aufgrund der fortschreitenden Aufsiedlung und der damit verbundenen Weiterveräußerung des Eigentums besteht die Gefahr, dass unkoordiniert oberirdische Stellplätze errichtet werden und damit die Wohnqualität im Quartier leidet.“
Weiß will vor einer Bewertung erst die MWSP hören: „Es mag Gründe geben, dass man so vorgeht“, sagte er. Dann müsse die Stadt das Risiko, das sie eingegangen ist, wohl oder übel tragen. Unklar bleibe, ob die MWSP möglicherweise auch gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer, also der Bundesanstalt für Immobilien (BImA), für die entgangene Wertsteigerung haften müsse.
Die Bürgerfraktion will in einem Akteineinsichtsausschuss klären, warum es „keine Klausel zur teilweisen Abschöpfung von Planungs- und Entwicklungsgewinnen beim unbebauten Weiterverkauf“ gegeben habe. SPD-Stadtrat Reinhold Götz will prüfen, ob es „rechtliche Möglichkeiten gibt, gegen diesen Deal vorzugehen bis hin zu möglichen Schadensersatzansprüchen“.
Tom Bock bleibt jedenfalls mit 15 Prozent an den neu gegründeten Gesellschaften beteiligt, die nicht näher genannten neuen Investoren halten mindestens 75 Prozent. Der Verkauf war bereits im vorigen Herbst über die Bühne gegangen, ohne öffentlich zu werden. Die neuen Projektentwickler wollten bisher nichts zu ihren Plänen in Mannheim sagen.
Turley-Kaserne
- Das rund 13 Hektar große Kasernengelände wurde 2007 von den amerikanischen Truppen geräumt.
- Ein Verkaufsversuch durch die Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BImA) scheiterte 2010.
- 2012 kaufte die die städtische MWS Projektentwicklungsgesellschaft (MWSP) die Flächen und begann mit der Vermarktung.
- Die Frankfurter Tom Bock Group übernahm damals zehn der 14 denkmalgeschützten Kasernengebäude aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-kommunalpolitiker-entsetzt-kritik-an-skrupellosem-vorgehen-_arid,1410800.html