„Über den aktuell bekannten Stand der Veränderung auf der Eigentümerseite wurde zuletzt im Aufsichtsrat der MWSP am 10. Dezember berichtet.“ So lautet die Antwort eines Stadtsprechers auf eine Anfrage dieser Zeitung vom Montag dieser Woche. Die Aussage entspricht jedoch so gar nicht dem, was aus dem Aufsichtsrat kommt. „Nein, da wurde gar nichts besprochen, und wir wurden auch nicht informiert; auch nicht in Sitzungen vorher“, heißt es aus Kreisen des Gremiums, das über das Tun der städtischen Projektentwicklungsgesellschaft (MWSP) zu wachen hat.
Na klar, es ist Wahlkampf. Am 26. Mai wählen die Mannheimer einen neuen Gemeinderat – und da ist wichtig, dass sich alle gut positionieren in diesem unübersichtlichen Getümmel um den Weiterverkauf des Turley-Kasernengeländes.
Einiges an Klärungsbedarf
Nun entwickelt sich ein Streit um gesagte, nicht gesagte und biegsame Worte. Dabei geht es im Kern darum, wie viel Alleingang, Mauschelei und Geheimniskrämerei sich Oberbürgermeister und MWSP-Aufsichtsratschef Peter Kurz und MWSP-Geschäftsführer Achim Judt geleistet haben – oder nicht. Anders gesagt: Wie gut oder schlecht oder gar nicht informiert wurden die sechs Aufsichtsräte und 48 Gemeinderäte über den Verkauf der Baufelder 4 und 5 auf Turley? Das sind jene Baufelder, die nun – nachdem Investor Bock sie binnen dreinhalb Jahren für sechs Millionen Euro gekauft und für 36 Millionen Euro verkauft hat – in anderen Händen sind.
Die Investoren, die jetzt das Sagen haben, sind die vier Gründer des international aufgestellten Sportwettenanbieters Tipico mit Sitz im Steuerparadies Malta (wir berichteten). Darin – und in Tom Bocks sehr gewinnbringendem Verkauf – steckt Klärungsbedarf. Nämlich, ob die Stadt nicht hätte besser aufpassen müssen, wenn ein Investor so kräftig in kurzer Zeit seinen Gewinn vermehrt und die Stadt nichts davon sieht – obwohl es doch zuvor ihre Grundstücke und damit die des Steuerzahlers waren.
Grundsätzlich steckt hinter der Frage des Informationsflusses und der Informationstiefe durch MWSP-Aufsichtsratschef und MWSP-Geschäftsführer auch die Frage: Wie durchsichtig, offen und kommunikativ läuft es in Mannheims Kommunalpolitik unter der Führung des sozialdemokratischen Oberbürgermeisters Peter Kurz, der seit 2007 an der Stadtspitze steht? „Über ihre Mitglieder im Aufsichtsrat konnten die Fraktionen im Gemeinderat informiert werden“, heißt es weiter hinten in dem anfangs zitierten Text des Stadtsprechers. Konnten sie? Sollten sie? Oder wurden sie doch? Diese Formulierung hört sich nicht gerade an wie eine Informationsoffensive.
Auch der nächste Satz aus dem Antwortschreiben des Stadtsprechers an diese Zeitung lässt vieles offen. „Tatsächlich ist die Kenntnis dieser Entwicklung als soweit bekannt vorausgesetzt worden.“ Wussten Aufsichtsrat und Gemeinderat nun alle, um was es geht? Dass das Konversions-Vorzeigeprojekt Turley aus der Hand des einst gefeierten Mannes Tom Bock geht, den viele bei seinem ambitionierten Antritt 2012 in Mannheim umgarnt haben? Wussten die Volksvertreter, die gewählten Mitglieder des Gemeinderates, nun wirklich Bescheid? Bescheid zu wissen ist in Zeiten, in denen schwierige Entscheidungen mit (un)absehbaren Folgen zu treffen sind, immer gut. Nun heißt es erst einmal abwarten. Denn der Aufsichtsrat der MWSP wartet noch auf das Protokoll der Sitzung vom 10. Dezember.
Im Aufsichtsrat der MWSP sitzen Roland Weiß (Mannheimer Liste), Claudius Kranz (CDU), Konrad Schlichter (CDU), Raymond Fojkar (Grüne), Reinhold Götz (SPD) und Heidrun Kämper (SPD). Vorsitzendender ist Peter Kurz.
Käufer und Verkäufer
- Im Jahr 2012 stieg Tom Bock aus Frankfurt als Investor auf dem Turley-Gelände ein und übernahm zehn von 14 historischen Gebäuden aus dem Altbestand, die weitestgehend saniert, verkauft und vermietet sind. Bock hat nach eigenen Angaben bisher 130 Millionen Euro investiert.
- Der Bau einer Tiefgarage für 300 Autos unter dem Appellplatz auf dem Altbestand, geplant ab 2015, hat noch nicht begonnen.
- Im Jahr 2015 kaufte Tom Bock für sechs Millionen Euro die noch leeren Baufelder 4 und 5 auf Turley dazu. Sie sind so groß wie zwei Fußballfelder. Gut dreieinhalb Jahre später ging das Gelände mehrheitlich an die Gründer des Sportwettenanbieters Tipico mit Sitz in Malta. Bock bekam 36 Millionen Euro.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-turley-und-die-biegsamen-worte-_arid,1412626.html