Köln. „Was ist ein Shitstorm?“, fragt der Mann im dunklen Jackett. Die Seminarleiterin schaut in die Runde: „Weiß das jemand?“ Ja, antwortet ein anderer Teilnehmer, das sei „wenn alle gegen einen schreiben“. Es könnte ein ganz normaler Workshop zu sozialen Netzwerken sein – hingen da nicht das große Kruzifix und das barocke Heiligengemälde an der Wand. Schauplatz der Fortbildung ist das Erzbischöfliche Priesterseminar in Köln.
Das größte katholische Bistum in Deutschland lässt hier erstmals 50 junge oder werdende Priester in einem zweitägigen „Smart Camp“ schulen. Sie sollen sich mit Insta-gram, Youtube und Bloggen vertraut machen – und vielleicht sogar selbst zu Influencern werden. Ein ehrgeiziges Projekt, denn unter Influencern versteht man normalerweise jugendliche Idole, die durch ihre enorme Reichweite Lebensstile beeinflussen können. Passt das wirklich zu Priestern?
„Ja“, ist die klare Antwort von Prälat Hans-Josef Radermacher, Chef des Priesterseminars. „In meiner Fantasie ist das eine große Chance. Ich finde das enorm spannend.“ Erste Übungen werden an diesem Mittwoch schon praktiziert: Chukwuma Maduwuba filmt mit dem Handy Francis Xavier Antony, der die Aufgabe hat, die positiven Charakterzüge seines Glaubensbruders George Njonge herauszustellen. Henrik Land (25), der im Sommer im Kölner Dom zum Priester geweiht werden soll, findet es „ganz schön cool hier“.
Jugendsprache verunsichert
Der Gesprächsbedarf der Teilnehmer ist groß, die Fragen prasseln nur so auf die Referenten ein. Gleichzeitig wird deutlich: Vielen Priestern ist die digitale Lebenswirklichkeit von Teenagern fremd. „Die Jungen haben ihre eigene Sprache“, sagt ein Teilnehmer, der selbst auch noch keine 30 sein dürfte. „Die benutzen Codewörter, die ich nicht verstehe.“ Diakon Christian Jasper ist dagegen schon länger auf Facebook und Instagram unterwegs. „Die sozialen Medien sind kein Teufelswerk“, sagt er. „Wir müssen alle Kanäle nutzen, um unsere frohe Botschaft zu verbreiten.“ Er kann sich sogar vorstellen, über ein „Modethema“ zu sprechen: „Warum trage ich priesterliche Kleidung?“
Macht die Initiative Sinn? Politikwissenschaftler Andreas Püttmann („Gesellschaft ohne Gott“) meint, es sei sicher richtig, wenn die Kirche versuche, alle Kommunikationskanäle zu nutzen. Allerdings frage er sich, ob die wenigen noch vorhandenen Priester wirklich Zeit dafür hätten. Es gebe schon genug Überlastungsprobleme im Klerus.
Auch für Diego Elola, Pfarrer der spanischsprachigen Gemeinde Mannheim/Weinheim, ist der Umgang mit sozialen Medien längst Alltagspraxis. Er stellte Fotos von Trauungen und Taufen ins Internet, macht Selfies von Veranstaltungen, die er besucht, und dreht Videos. In der NDR-Sendung „3nach9“ wurde der Argentinier im Dezember 2018 als „der momentan angesagteste katholische Pfarrer Deutschlands“ angekündigt.
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