Medien - Mannheimer Polizeipräsident Andreas Stenger betont den verfassungsmäßigen Schutz der Meinungsfreiheit

„Mehr denn je braucht es Qualitätsjournalismus“

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Andreas Stenger
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Polizeipräsident Andreas Stenger. © Blüthner

Mannheim. Sie recherchieren, informieren, erklären, ordnen ein, liefern Hintergründe und bieten unterschiedliche Perspektiven – Journalistinnen und Journalisten tragen eine große Verantwortung. Wie essenziell diese ist, zeigt ein Blick in unser Grundgesetz. Artikel 5 normiert die Meinungs- und Pressefreiheit, ohne die eine Demokratie schlichtweg nicht möglich ist. Und weil das so ist, erfüllt ein unabhängiger und kritischer Journalismus eine entscheidende Funktion in unserer Gesellschaft.

Der Qualitätsjournalismus stellt Öffentlichkeit her, regt Debatten an und bestimmt bei vielen Fragen den Diskurs. Diese große Verantwortung muss auch mit der Verpflichtung zur Fairness und zum Augenmaß einhergehen. Schließlich werden der Journalismus und die politische Berichterstattung oftmals als vierte Gewalt bezeichnet, die sich kritisch mit der Politik und dem Staat auseinandersetzt.

Transparenz und Nähe

Das ist aus meiner Sicht als Präsident des Polizeipräsidiums Mannheim und als Bürger fundamental wichtig. Auch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei setzt auf Transparenz, Offenheit, Nähe, Verständnis und Vertrauen. Davon profitieren alle Seiten, denn das ist der Wesenskern einer bürgerorientierten Polizei, die fest in der Gesellschaft verankert ist. Gerade wir als Polizei brauchen eine breite öffentliche Diskussion.

Die Berichterstattung spiegelt, was die Menschen bewegt. Journalistinnen und Journalisten, die Themen profund recherchieren und somit ein Ohr am Puls der Zeit haben, tragen ihren Teil dazu bei, die gesellschaftlich relevanten Themen zu erkennen und einzuordnen.

Selbstverständlich gefällt seriöser Journalismus nicht immer. Häufig ist er kompromisslos und manchmal tut er sogar weh. Aber im Gegensatz zu einseitigen Darstellungen helfen gut recherchierte Nachrichten und sachkundige Erläuterungen aus unterschiedlichen Perspektiven dabei, sich ein eigenes Bild von Ereignissen zu machen.

Mit der digitalen Transformation der Gesellschaft erleben wir einen rasanten Wandel von gedruckten zu digitalen Medien. Podcasts, Newsblogs, soziale Medien und Co. prägen die Medienwelt. Natürlich gab es schon vor den Newsblogs, Livetickern und vor Twitter, Facebook oder anderen sozialen Plattformen unseriösen Journalismus. Doch mit dem Siegeszug der Onlinemedien wird es immer schwieriger, fragwürdige Beiträge vom Qualitätsjournalismus noch zu unterscheiden. Heute kann jede und jeder niederschwellig ein großes Publikum in Echtzeit ansprechen, in Foren mitdiskutieren und die Berichte kritisch begleiten.

Journalistische Standards und Prinzipien, das Presserecht, geschweige denn ethische Grundsätze, etwa die des Deutschen Presserats oder die Selbstverpflichtungen der Medien, verlieren gegenüber den neuen Medien zunehmend an Bedeutung. Akribische und gewissenhafte Recherchen sind längst nicht mehr selbstverständlich, denn alles wird zu einer Frage der Zeit. Neue Formate und Formen drängen in die Medienlandschaft – schnell, direkt, interaktiv. Quantität und Schnelligkeit nehmen zu, die Qualität bleibt häufig auf der Strecke. Hoax (Falschmeldungen), alternative Fakten und gefühlte Wahrheiten sind fast schon typische Phänomene.

Sie zeigen, wie wichtig es ist, Sachverhalte kritisch zu hinterfragen. Diese Erscheinungsformen sind eine Schattenseite der Veränderung. Durch Bots, Trolle, algorithmenbasierte Meinungen und Hackerangriffe geht die Angst vor der manipulativen Meinungsmache um. Auch vor unserer eigenen Haustür sind wir ständig damit konfrontiert.

Vor wenigen Wochen wurde ein Videoclip massenhaft geteilt. Der Film sollte angeblich zeigen, wie Polizistinnen und Polizisten hinter einem zuvor gestohlenen Streifenwagen herrennen. Der Clip eroberte in Windeseile das Netz. Das Problem daran: Die Geschichte war rein fiktiv. Plausibilitätsprüfung, Sorgfalt und Faktencheck wie so oft Mangelware. Die Polizei Mannheim erfuhr viel Häme in unzähligen Kommentaren.

Direkter Draht gesucht

Dieses triviale Beispiel zeigt das Dilemma und ist ein Plädoyer für gesicherte Informationen, gut recherchierte Sachverhalte und verlässliche Medien. Die Konsequenz daraus ist dabei leicht zu ziehen: Mehr denn je braucht es Qualitätsjournalismus. Das motiviert uns als Polizeipräsidium Mannheim auch darin, unsere Öffentlichkeitsarbeit permanent weiterzuentwickeln. Längst sind das Polizeipräsidium Mannheim und die Polizei Baden-Württemberg in den sozialen Netzwerken aktiv. Die Bürgerinnen und Bürger suchen den direkten Draht zu uns.

Das hat gute Gründe: Wie auch die Qualitätsmedien beteiligen wir uns nicht an Spekulationen, wir ventilieren keine alternativen Fakten oder gefühlten Wahrheiten, sondern treten als verlässliche und seriöse Informationsquelle auf – ohne dabei in Konkurrenz mit den Medien zu stehen. Denn guter und seriöser Journalismus ist kein Konkurrent, sondern eine wichtige Unterstützung in unserer Polizeiarbeit. Ihre kritische Betrachtung und ihre Reichweite helfen uns dabei, Fälle zu lösen und Sicherheitstipps zu geben.

Ich bin froh, dass es hier in unserer Region diesen Qualitätsjournalismus gibt, mit dem wir vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Dafür bedanke ich mich. Und ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem die Meinungs- und Pressefreiheit verfassungsrechtlich verbrieft und geschützt ist. Das ist leider nicht überall auf der Welt selbstverständlich.

Engagiert für Sicherheit

  • Andreas Stenger (geb. 1963) trat 1981 in den Dienst beim Bundesgrenzschutz ein und wechselte 1988 zur Polizei Baden-Württemberg.
  • Ab 2003 arbeitete Stenger als Referent im Innenministerium Baden-Württemberg, Landespolizeipräsidium.
  • Ab 2005 leitete er bei der damaligen Polizeidirektion Heidelberg die Kriminalinspektionen 1 und 4.
  • 2011 wurde er stellvertretender Leiter, 2014 Leiter des Kriminaltechnischen Instituts beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg.
  • Zum 1. Mai 2019 trat er die Nachfolge von Thomas Köber als Polizeipräsident von Mannheim an. red

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