Selma Scheel öffnet das Fenster und lehnt sich weit hinaus – in die Welt der Schelme und Trickser. Sie begegnet einer wunderschönen Kakerlakenfrau. Der Pepo Keko (Kuckucksvogel) ruft seine Liebste und die Musiker nehmen den Klang auf. Ein persisches Volkslied erzählt von Fasanen und Tauben. Holzsammler Cemshap taucht ein in das Reich der Schlangenkönigin Sahmeran. Den Zuhörern wurde so das Herz gebrochen – weil es so schön war. Im Jugendhaus auf der Hochstätt gastierten Erzählerin Selma Scheel und ihre Musiker.
Tiefes Verständnis des Stoffs
Die Veranstaltung unter dem Titel „Sahmeran – Erzählkunst trifft Oriental Jazz“ wurde von Livekultur Mannheim mit dem Quartiermanagement und dem Jugendhaus Hochstätt organisiert. Erzählerin Selma Scheel und drei Musiker erzählen Märchen. Zusammen oder einzeln. Mit oder ohne Instrumentalbegleitung. Aber nie einfach nur auf Deutsch.
Selma Scheele, die Theaterpädagogik und Erzählkunst in Berlin an der Universität der Künste gelernt hat, pflegt die uralte Form des freien Erzählens in vielerlei, auch neuen Gewändern. Zu Unrecht wird diese Kunst oft als Lesung (oder auswendiges Aufsagen von Märchen) missverstanden. Im Unterschied zum Vorlesen erlaubt das freie Erzählen einen viel direkteren Kontakt zum Publikum, ein spontaneres Eingehen auf die Zuhörer und die jeweilige Erzählsituation, sowie einen kreativen Umgang mit den Geschichten. Dies verlangt jedoch vom Erzähler eine genaue Kenntnis und ein tiefes Verständnis des jeweiligen Stoffes. Selma Scheel, die von sich sagt, dass sie „halb Deutsch und halb Türkisch“ ist, bringt mit ihrer Erzählweise und ausdrucksstarken Körpersprache ihre Geschichten zum Leben, und das Publikum taucht in fantasievolle Bilder und berührende Momente ein. Sie erzählt ihre Geschichten in Deutsch, Kurdisch, Persisch und Türkisch fortlaufend und ohne zu übersetzen. Die Zuhörer verstehen auf Grund der Anschlüsse und Verknüpfungen, der Wiederholungen und vor allem des mimischen und gestischen Spiels. So entsteht eine einzigartige Vielfalt der Stimmen und Sprachen: Das Fremde wird sinnlich erfahrbar über den Klang, das Timbre, den Rhythmus der Sprachen. Untermalt, unterstützt und umrahmt von Oriental Jazz und Rhythmus durch Nurullah Turgut (Percussion), Johannes Stange (Trompete/Flügelhorn) und Jörg Teichert (Gitarre). Ihre Musik ist ein Wechselbad der Gefühle, zwischen Melancholie und brodelnder Energie. Immer erzählen sie Geschichten mit eigenen Klangfarben. Die gut erzählten Märchen und Geschichten förderten die Fantasie der Besucher und ein Gefühl der Geborgenheit und des Eingebunden-Seins, nährten also die Seele und ließen das Hier und Jetzt vergessen. Sie vermittelten auf eine unaufdringliche Weise menschliche Werte und alte zeitlose Weisheiten. Kinder fühlten sich in ihren Ängsten und Fantasien verstanden, Erwachsene wiederum fühlten sich zurückversetzt in die Kindheit, konnten abschalten, zu sich selbst kommen und einfach entspannen.
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