Streik - Mitarbeiter der Wasser- und Schifffahrtsämter im Südwesten legen Arbeit nieder / Über 30 Schiffe stehen auf dem Neckar still

Gefangen zwischen Schleusen

Von 
Kathrin Miedniak
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Heidelberg/Mannheim. Es ist still auf der "Mvs Felix". Kein Motor dröhnt, keine Schiffsschraube wühlt das Wasser auf. Und der mit Kohle beladene Frachter aus Rotterdam kommt seinem Ziel Heilbronn keinen Zentimeter näher. Der Grund liegt rund 200 Meter vor dem Bug des Schiffes: die Schleuse Heidelberg. Am Montagmorgen stehen dort 200 Mitarbeiter der baden-württembergischen Wasser- und Schifffahrtsämter (WSA). Doch keiner von ihnen öffnet die Tore. Stattdessen werden ver.di-Fahnen in die Höhe gereckt und Reden gehalten, wird applaudiert und gepfiffen. Die Schleusenmeister befinden sich im Streik.

Ausgelöst hat den Ausstand die Ankündigung einer Reform. Schon seit Juli vergangenen Jahrs sei klar, dass der Bund einen Umbau der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung plane, sagt Markus Kling. Laut dem Gewerkschaftssekretär des Landesbezirks Baden-Württemberg hat ver.di bereits im Herbst 2012 Gespräche über einen Absicherungstarifvertrag mit dem Bundesverkehrsministerium gefordert. Denn die Gewerkschaft geht davon aus, dass im Zuge der Reform ein Viertel der insgesamt rund 12 000 Arbeitsplätze wegfallen soll.

Stau wächst in Feudenheim

Doch aus einem Dialog sei nichts geworden, so Kling. Die Regierung wolle bestimmte Themen von den Gesprächen ausschließen, wie etwa die Abfindungsregelung oder eine Ausbildungsquote. "Dass man Themen von vornherein ablehnt, ist ein Diktat nach Gutsherrenart", sagt Kling. ver.di zieht nun sein letztes Register: ein mehrtägiger Arbeitskampf an Deutschlands Schleusen.

Den Anfang macht der untere Neckar. Am Montagmorgen bleiben die Schleusen zwischen Mannheim und Heilbronn sowie bei Stuttgart zu. Zwischen Mannheim und Heidelberg sitzen 30 Schiffe fest, Tendenz steigend. "In Feudenheim werden es immer mehr werden", sagt Jörg Huber, Leiter des WSA Heidelberg. Dort kommen ständig neue Schiffe aus dem Rhein an und stauen sich vor der geschlossenen Schleuse.

Richard van Dodewaard hat es mit seiner "Mvs Felix" am Sonntag immerhin bis nach Heidelberg geschafft. "Es gibt schlechtere Plätze", sagt er. Doch sein Lachen verrutscht. Nach den hochwasserbedingten Ausfällen könnte er auf eine weitere Zwangspause gut verzichten. "Wir Binnenschiffer sind bei diesem Streik die Schlachtopfer", sagt er.

Das bestätigt auch Jörg Rusche, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt. "Der Streik kommt zur Unzeit", sagt er mit Blick auf das gerade erst überstandene Hochwasser, das viele Schiffer in finanzielle Not gebracht habe. Während Kapitän Dodewaard den Frust mit einem Landgang zur Eisdiele bekämpft, blitzen die Augen seiner Nachbarin Karin Scheubner vor Zorn. "Der Streik trifft genau die Falschen", schimpft die Besitzerin der MS Wissenschaft. Sie wollte eigentlich am Montag mit der Ausstellung "Die demografische Chance" an Bord in Richtung Lauffen ablegen. Nun bleibt das Schiff, wo es ist, Lauffen fällt als Station fürs Erste aus. "Wir hoffen, dass wir am Mittwoch nach Stuttgart auslaufen können", sagt Scheubner. Daran, dass sonst die dort geplanten Veranstaltungen ausfallen könnten, denkt sie lieber gar nicht erst.

Dabei ist das durchaus möglich. "Der Streik in Heidelberg ist erst mal für drei Tage festgelegt, vielleicht machen die Kollegen die Woche aber auch voll", sagt Kling. Für die Heidelberger "Weiße Flotte" wäre das eine Katastrophe. Schon für heute hat eine Gruppe mit 285 Fahrgästen eine Tour auf einem der Ausflugsschiffe abgesagt. "Das sind viele Tausend Euro Einbußen", sagt Geschäftsführer Karl Hofstätter und fügt zähneknirschend an: "Die Leute möchten eben ins Neckartal fahren, nicht in Heidelberg zwischen zwei Schleusen im Kreis schwimmen."

Geschlossene Schleusen in ganz Deutschland

Am ersten Streiktag befanden sich laut WSA Heidelberg bis zum Mittag 30 Schiffe auf dem Neckar zwischen Mannheim und Heilbronn. Rund 300 bis 350 Schleusungen fielen allein am Montag aus.

Ebenfalls gestreikt wurde in Nordrhein-Westfalen. Dort stand laut Bundesverband der Deutschen Binnenschiffer der Schiffsverkehr auf dem Wesel-Datteln-Kanal und dem Rhein-Herne-Kanal still.

Heute sollen auch auf Flüssen in Bayern, Niedersachsen, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz die Schleusen bestreikt werden. Mit dem Arbeitskampf will ver.di erneute Verhandlungen herbeiführen. mie

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