Alte Berufe - Noch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde lautstark verkündet, welche Verordnungen erlassen worden sind

Ausrufer bringt Neuigkeiten unters Volk

Von 
Bärbel Jakob
Lesedauer: 

Ludwig Beck, hier vor dem Alten Rathaus, war der letzte Gemeindeausrufer Lampertheims.

© Stadtarchiv Lampertheim

Lampertheim. Im "Südhessen Morgen" kann man immer wieder amtliche Bekanntmachungen der Stadt zu Bebauungsplänen, Straßensperrungen oder öffentlicher Versteigerung von Fundsachen lesen. Als es in Lampertheim noch keine Zeitung gab und ohnehin nur wenige Menschen lesen konnten, übernahm diese Aufgabe ein sogenannter Ausrufer, der meist Gemeindediener war. Er lief durch die Straßen und Gassen, verkündete, welche Verordnungen erlassen worden waren und was es sonst noch Neues gab.

Seit dem Mittelalter kannte man in vielen Orten diese Art der Nachrichtenübermittlung. Wie wichtig der Gemeindebote als dörflicher Informationsdienst war, wird bei einer Petition im April des Revolutionsjahres 1848 deutlich: Lampertheimer Bürger hatten eine Eingabe an den "wohllöblichen Ortsvorstand der Gemeinde" gemacht, in der sie als Volk Zutritt zu den Versammlungen forderten. Der Zeitpunkt dafür solle öffentlich bekannt gemacht werden.

Dem Wunsch, seine Sitzungen künftig vor Zuhörern abzuhalten, stimmte der Gemeinderat ziemlich schnell zu. Er lehnte es aber entschieden ab, sie ankündigen zu lassen. Dagegen wendeten sich die Bürger mit einer weiteren Eingabe, in der sie erklärten, mit einem Anschlag am Rathaus werde nur ein Bruchteil der Öffentlichkeit erreicht. Daraum forderten sie: "Unsere Mitbürger, die nicht lesen können, dürfen von derartigen Bekanntmachungen nicht ausgeschlossen sein, auch kann es der ganzen Einwohnerschaft nicht zugemutet werden, täglich am Rathause sich einzufinden, um Einsicht zu nehmen von den dortigen Anschlägen. Wir bitten daher, die Zeit, wo Gemeinderatssitzungen abgehalten werden, auf gewöhnliche Weise, durch die Schelle, gefälligst zur öffentlichen Kenntnis bringen zu lassen!" So heißt es zumindest im Buch "Der Teufel in der Freiheitsgeschichte oder die Zeit bringt (keine) Rosen" von Manfred H.W. Köhler, das in der Reihe "Lampertheim - Ein Blick in die Stadtgeschichte" erschienen ist.

Doch nicht nur öffentliche Angelegenheiten verkündete der Ausrufer. Er warnte vor Tierseuchen, gab Impftermine bekannt und lud zu Tanzveranstaltungen oder Kegelabenden ein. Oder er schwang die Schelle, um mitzuteilen, dass am kommenden Vormittag die Apfelbäume auf dem Biedensand versteigert werden und dass am Bahnhof Kohle abgeholt werden kann.

Noch vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gab es einen Gemeindediener, der auch als Ausrufer tätig war. Außerdem überbrachte er Briefe und war der offizielle Schweine-Wieger. Sein Name lautete Ludwig Beck, er war aber unter dem Spitznamen "Hebbes" viel bekannter. Beck fuhr mit dem Fahrrad durch Lampertheim und machte in verschiedenen Straßen Station.

Dort läutete er mit seiner Schelle, bis die Anwohner zusammenliefen, so dass er ihnen die Anordnungen aus dem Amtsblatt verlesen und andere Neuigkeiten kundtun konnte. Zeitzeugen erinnern sich noch an seine kräftige Stimme, mit der er zu Beginn laut "Bekanntmachung!" rief. Auch nach Neuschloß und Hüttenfeld fuhr Ludwig Beck, um die dortigen Einwohner zu informieren, allerdings nicht mit dem Fahrrad, sondern einem kleinen Motorrad. Seine Schelle aus Messing ist heute noch im Lampertheimer Heimatmuseum zu sehen.

Copyright © 2025 Südhessen Morgen