Friedrich-Fröbel-Schule - Zwei blinde Menschen berichten Drittklässlern von ihrem Alltag / Abschluss der „Forscher-Werkstatt“ zum Thema Sinne

Sprechende Küchenwaage hilft beim Kochen

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Isabell Pfeufer und Norman Wiegand stellen den Drittklässlern der Fröbelschule ihren Alltag als blinde Menschen vor. © Usler

Viernheim. . „Woher wisst ihr, wieviel Geld ihr habt?“ fragt ein Schüler. Norman Wiegand holt einen Geldschein aus seiner Tasche. Ihn legt er in die Geldscheinschablone, klappt ihn einmal um und bestimmt anhand der Länge, welchen Wert der Schein hat. „Das sind zehn Euro“, liest er an der Skala ab.

Die Drittklässler der Friedrich-Fröbel-Schule sind erstaunt. Wie man Münzen auseinanderhalten kann, das wissen die Mädchen und Jungen aber selbst: „Die Münzen sind unterschiedlich groß und haben Rillen an den Seitenrändern.“ Das haben sie nämlich im Rahmen der „Forscher-Werkstatt“ im Sachunterricht zum Thema „Sinne“ gelernt. Zum Abschluss gibt es nun eine besondere Schulstunde, die der Verein für Grundschulbetreuung ermöglicht. Isabell Pfeufer und Norman Wiegand erzählen den Schülern aus ihrem Alltag als blinde Menschen. „Wir sind beide von Geburt an blind. Die Netzhaut in unseren Augen hat sich abgelöst“, erzählen die beiden den Schülern. In ihrem Alltag kommen die Blinden gut zurecht – auch dank der speziellen Geräte, die die beiden den Kindern zeigen. Das bekannteste Hilfsmittel ist der Blindenstock, mit dem man sich orientieren kann. Isabell Pfeufer nutzt manchmal auch die Akustik: „Wenn ich in ein mir unbekanntes Zimmer komme, dann schnalze ich mit der Zunge. Am Echo höre ich, wie groß der Raum ist.“

Die Schüler interessiert , wie Blinde lesen und schreiben. Isabell Pfeufer hat ein großes dickes Buch dabei. „Man sieht viele Punkte, das sind die Buchstaben“, wissen die Schüler. Die Punktschrift wird mit zwei Fingern gelesen: Ein Finger fühlt vor, der andere fährt die Buchstaben ab. „Wenn wir uns mal schneiden oder verbrennen, können wir nichts mehr lesen“, erzählt Norman Wiegand.

Zeiger der Uhr ertasten

Für solche Fälle haben Blinde auch noch ihren Computer, der mit einer herkömmlichen Tastatur bedient wird und dazu eine Sprachausgabe hat. Neben dem Computer gibt es noch mehr kleine Geräte, die Geräusche machen oder „sprechen“. Beim Backen und Kochen hilft eine sprechende Waage, Auskunft über Datum und Uhrzeit gibt der sprechende Wecker. Beim Einschenken von Flüssigkeiten fühlen Sehbehinderte entweder mit dem Finger im Glas oder nutzen einen Füllstandsmesser, der piepst, wenn die Tasse oder das Glas fast voll ist. Es gibt aber auch geräuschlose Hilfsmittel wie die Armbanduhr, an der sich die Zeigerstellung ertasten lässt.

Den Schülern brennen viele Fragen unter den Nägeln, die Isabell Pfeufer und Norman Wiegand beantworten – etwa, woher sie wissen, welche Farbe Kleidungsstücke haben und wie sie Kleidung richtig anziehen. Bei der Farbe hilft das Farberkennungsgerät. „Da bin ich mal gespannt“, meint Carola Humpe vom Verein für Grundschulbetreuung mit Blick auf das wildgemusterte T-Shirt von Norman Wiegand. Der hält den Apparat an das Hemd: „Dunkelgrau Richtung rot-violett-blau“ meldet das kleine Kästchen exakt die Farben des Linienmusters.

Beim Anziehen orientieren sich beide an Wäschezetteln, Nähten oder den verschiedenen Schnitten. „Früher hat meine Mutter an die vordere Innenseite von Shirts einen Knopf genäht“, verrät Isabell Pfeufer, „wenn ich den an meinem Bauch gespürt habe, wusste ich, dass ich das T-Shirt richtig herum trage.“ su

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