Bad Mergentheim. „Von Bach bis Gershwin“ lautete das Motto eines Konzerts, das im Münster St. Johannes von dem seit langem bundesweit und international renommierten Leipziger Posaunenquartett „opus 4“ auf Initiative von Kirchenmusikdirektor Michael Müller stattfand.
Die 1984 gegründete Formation war dabei nicht zum ersten Mal in unserer Region zu Gast und demonstrierte in ihrer rund eineinhalbstündigen Vorstellung mit Stücken aus fünf Jahrhunderten ein weiteres Mal ihre enorme stilistische Bandbreite, Variabilität, ihren mit augenzwinkernden Humor gewürzten Spielwitz und ihre bewundernswerte Klangkultur.
Zwei unterschiedlichen Bauarten der Posaune in den Tonlagen Alt, Tenor und Bass kamen dabei zum Einsatz, wobei die hier zunächst eingesetzte barocke Version (ein Nachbau nach historischem Vorbild) nicht nur schlanker aussieht als ihre Nachfolgeinstrumente, sondern auch so klingt: Mit einem eher dezenten, vergleichsweise spröden oder vornehm zurückhaltenden und dabei exquisiten und edel sonoren Klang. Er verlieh den Interpretationen frühbarocker oder noch früherer Stücke, Gesänge bzw. Motetten von Claudio Monteverdi, Don Carlo Gesualdo, Joaquin des Prez, Tomas Luis de Victoria, Heinrich Schütz u. a., die von dem Gründer und Altposaunist Jörg Richter für das Ensemble eingerichtet wurden, durch die vorbildliche Weichheit der Intonation und feinste dynamische Abstufungen ihre besondere Note. So etwa in dem farblich sublimen Chor-Arrangement von „Meine Seele erhebt den Herren“ aus dem „deutschen Magnificat“ von Heinrich Schütz, dessen blühender Klang und fast schmerzliche Expressivität den Höhepunkt der ersten Hälfte des Konzerts bildeten. Virtuos-unterhaltsam, mit neueren „Kruspe“-Posaunen, ebenfalls deutscher Bauart, und fülligerem, voluminöserem Sound ging es dann weiter mit der für Quartett umarrangierten berühmten d-moll Toccata und Fuge von Bach, für die Spieler eine enorme technische Herausforderung: Ganz so geschwind wie auf Orgelmanualen geht das Laufwerk mit Posaunenzügen natürlich nicht. Für die Zuhörer im Münster bot sich gleichwohl ein faszinierendes Hörerlebnis, wobei auch durchaus ein wenig Humor mit einfloss.
Eine liebevolle Reminiszenz an die Epoche des großen Bach stellt auch die „Kaffeestunde bei Anna Magdalena“ dar, ein „Intermezzo“ – man könnte es auch einen „musikalischen Spaß“ nennen – des vor einigen Jahren verstorbenen Kirchenmusikkomponisten Bernhard Krol (1920-2013), der dieses Stück eigens für „opus 4“ geschrieben hatte.
Vier Instrumentalisten im angeregtem Gespräch – genauer handelt es sich neben Jörg Richter um Dirk Lehmann, Alexander Wunder (beide Tenorposaune) und Hans-Martin Schlegel (Bassposaune) – und dazu mit einem guten Schuss Swing-Feeling im barocken Gewand.
Dass die Leute von „opus 4“ auch im Jazz zu Hause sind, war schon hier zu spüren und sollte gleich darauf eindrucksvoll bestätigt werden. Nicht weniger aber in der Romantik, wie sie zuvor am Beispiel von zwei Stücken von Anton Bruckner, seinem bekannten „Ave Maria“ und der Antiphon „Ecce sacerdos“ unter Beweis stellten, mit einer je nach Bedarf gleichermaßen zarten und innigen wie feierlich-erhabenen Vortragskunst.
Last but not least dann Gershwin: Sein „Porträt“, ein wunderschönes Melodien-Medley aus „Rhapsody in blue“ und „Porgy & Bess“ bestach durch hinreißende Beweglichkeit, rhythmisches Feuer, Klangsinnlichkeit und lyrische Einfühlsamkeit.
Freilich fand dieses Konzert im Münster St. Johannes statt, und so musste auch die (seit langem sanierungsbedürftige Orgel) bei diesem Konzert einmal in Erscheinung treten bzw. zu Gehör kommen. Sie tat unter den Händen von Organist Michael Müller wacker ihren Dienst, als Begleitinstrument und einmal auch solistisch in Bachs „Fantasia“ über „Komm heil’ger Geist“, besonders aber als durchaus wirkungsvolle Untermalung des Posaunenchors auf der Empore.
Doch sie erklang auch schon zu Beginn im „Feierlichen Einzug“ von Richard Strauss. Dessen würdig-pompöse Blechbläser-Klangpracht erinnerte zuweilen an Wagners „Lohengrin“. Schließlich war sie zum Abschied der Vorstellung (dieses Mal wieder im Verein mit Barockposaunen) in zwei für Posaunenquartett gesetzten Stücken von Giovanni Gabrieli (1557-1612) und Biagio Marini (1594-1663) zu hören, wobei die edel-festliche Qualität des „alten“ Posaunenklangs sich nochmals herrlich offenbarte.
Für den langen, sehr herzlichen Beifall im Münster St. Johannes bedankten sich das Quartett „opus 4“ noch mit einem launigen Ragtime.
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