Leserbriefe Das schreiben Leser zur gendergerechten Sprache

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Die Schreibweise mit „Genderstern“ soll Menschen einschließen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. © dpa

Zum Artikel „Wegweiser für Wahrnehmung“ vom 8. August:

Einspruch: Es ist wissenschaftlich eben nicht belegt, dass es an der Sprache liegt, wenn Frauen in einzelnen sprachlichen Kontexten nicht mitbedacht werden. Viel wahrscheinlicher sind sprachunabhängige Rollenbilder und Realitäten die Ursache. Diese Studien, auf die Sie sich beziehen, sind im Übrigen in der Wissenschaft hochumstritten. Denn fast alle dieser Experimente wurden nur mit Studenten durchgeführt, oft konnten nur minimale Effekte gemessen werden und vor allem wurden Einflussfaktoren wie z. B. der sprachliche Kontext nicht berücksichtigt.

Ergebnis der Kritik: Diese Studien belegen nicht, dass Sprache unser Denken prägt oder lenkt, wie behauptet. Schon gar nicht bei allen generischen Maskulina, Kontexten, Lesern bzw. Hörern. Ewa Trutkowski, Phillip Hübl, Tomas Kubelik, Gisela Zifonun, Wolfgang Klein, Hans-Martin Gauger, Gisela Klann-Delius, Robert Pfaller, Gero Fischer sind nur einige der Kritiker dieser These von der angeblichen „Macht der Sprache“.

Dass Gendern irgendetwas für die Gleichstellung der Frauen bewirken kann, ist leider eine Illusion. Noch nie haben Sprachveränderungen zur Emanzipation beigetragen. Und noch Hinweis, wenn Sie erlauben: Das generische Maskulinum schließt Frauen eben nicht aus, wie Sie schreiben. Sonst wäre das Maskulinum ja nicht „generisch“. Ein Beispiel aus dem Wörterbuch: Leser, der. a) jemand, der in einem einzelnen Fall, momentan etwas liest; b) jemand, der sich mit Lesen [in Bezug auf bestimmte Lektüre] befasst. Ausgeschlossen wird dadurch niemand.

Torben Köhler, Berlin

Ich befürchte, dass es über kurz oder lang zu einer heftigen Explosion in unserer westlichen Welt kommen wird. Allmählich bekomme ich den Eindruck, dass so einige Wissenschaftler, Professoren und sonstige Fachleute einen „Knall“ haben. Sprache in eine gendergerechte Formulierung umzuwandeln, entspricht eines Missbrauchs ersten Ranges. Seit Monaten befinden wir uns in einer Corona Krise und da weiß man nichts Besseres, als an der deutschen Sprache das Skalpell anzusetzen. Womöglich passt dieses Sprachengesülse genau in diese Pandemie, um es dem Bürger unterschwellig aufs Auge zu drücken.

Wäre es da nicht mehr als richtig, den Mann in Zukunft als Mensch, die Frau als Menschin anzusprechen. Ich finde auf jeden Fall, der „Mensch“, er hat einen Knall.

Rolf Engert, Edingen

Sind diese sprachlichen Verrenkungen wirklich notwendig, um sich verständlich auszudrücken. Genügt es nicht, wenn ich zum Beispiel „Verbraucherschützer“ sage? Muss ich überflüssigerweise auch noch Verbraucherinnenschützer, Verbraucherschützerinnen und Verbraucherinnenschützerinnen dranhängen? Da beneide ich aber die Engländer! Ich werde auch weiterhin so sprechen und schreiben, wie es den grammatikalischen Regeln der deutschen Sprache entspricht, denn die sogenannte gendergerechte Sprache beruht auf der Verwechslung des grammatischen Geschlechts (lateinisch: Genus) mit dem natürlichen Geschlecht (lateinisch: Sexus). Die Einteilung der deutschen Substantive in drei Klassen – Maskulinum (der), Femininum (die), und Neutrum (das) – bezieht sich jedoch nur auf die Wörter und nicht auf das, was sie bezeichnen.

Das Genus als grammatisches Geschlecht stimmt nicht durchgängig mit dem natürlichen Geschlecht (Sexus) als Merkmal von Lebewesen überein. So gibt es im Deutschen maskuline Wörter, die nicht nur männliche, sondern auch weibliche Personen bezeichnen, z. B. der Gast, der Säugling, der Filmstar. Es gibt feminine Wörter, die sich auch auf männliche Personen beziehen können, z. B. die Lehrkraft, die Geisel, die Majestät, die Waise. Ebenso gibt es Neutra, die männliche und weibliche Personen oder auch nur Personen eines natürlichen Geschlechts bezeichnen, z. B. das Mitglied, das Staatsoberhaupt, das Kind.

Die Wörter „Lehrer“, „Schüler“ und „Verbraucherschützer“ haben immer sowohl männliche als auch weibliche Personen bezeichnet. Das entspricht der grammatischen Regel, wonach Personenbezeichnungen auf „-er“, wenn sie nicht eindeutig auf männliche Personen bezogen sind, Angehörige beider Geschlechter bezeichnen. Dementsprechend werden auch im Bürgerlichen Gesetzbuch nur die Wörter „der Käufer“, „der Verkäufer“ verwendet. Alle diese maskulinen Personenbezeichnungen haben nichts mit dem natürlichen Geschlecht der bezeichneten Person zu tun.

Eine der beliebtesten Manierismen journalistischer Schreibweise ist man/frau, wobei aber man keine maskuline Form, sondern ein unbestimmtes persönliches Fürwort darstellt, das dem französischen on entspricht. Nur durch die praktisch gleiche Aussprache der Wörter Mann und man in der deutschen Sprache wird ein Zusammenhang konstruiert, der gar nicht besteht.

Eginhard Teichmann, Mannheim

„Gendergerechte Sprache“ ist eine anmaßende Bezeichnung, denn sie unterstellt, die herkömmliche Sprache sei nicht gendergerecht. Gender, das soziale Geschlecht, wird aber in der herkömmlichen Sprache überhaupt nicht genannt, somit kann diese es auch nicht ungerecht behandeln. Die Möchtegern-Sprachverbesserer mögen doch bitte zunächst begründen, weshalb es überhaupt notwendig ist, sich sprachlich ständig ausdrücklich auf die sozialen Geschlechter zu beziehen.

Ist es nicht Privatsache, ob „er“ gern Frauenkleider anzieht und homosexuell ist, oder ob „sie“ lieber ein Mann sein möchte? Wieso muss diese sexuelle und psychologische Vielfalt des Menschen ständig explizit „angesprochen“ werden? Sie muss es überhaupt nicht, und die Sprache ist dadurch auch keinesfalls ungerecht! Ebenso anmaßend ist der Ausdruck „geschlechtergerechte Sprache“. Unsere bewährte Sprache hat Kennzeichnungen für die beiden biologischen Geschlechter von Lebewesen sowie Kennzeichnungen für drei grammatische Geschlechter aller Substantive. Zufälligerweise heißen zwei der drei grammatischen Geschlechter (männlich, weiblich, sächlich) genauso wie die beiden biologischen, und meist ist das generische Geschlecht grammatisch männlich.

Dies ist die Ursache vieler Verwechslungen und der ständigen Quengelei der „Gendermeister*Innen“. Zum Beispiel fällt die biologisch männliche Form Bürger (für Männer) mit der grammatisch männlichen generischen Form Bürger (für Männer und Frauen) zusammen. Es ist eine unzutreffende Unterstellung, dass Frauen „nur mitgemeint“ seien. Nein, der grammatisch männliche Ausdruck (das sog. generische Maskulinum) meint und bezeichnet explizit und direkt sowohl Männer als auch Frauen! Er ist nur grammatisch „männlich“ und hat nichts mit dem biologischen oder sozialen Geschlecht zu tun.

„Das generische Maskulinum ist nicht mehr zeitgemäß“, behauptet die Pro-Kommentatorin. Ich kenne keinen Beitrag in den Medien, wo nicht spätestens bei der Aufzählung mehrerer Menschengruppen nach wie vor das generische Maskulinum verwendet wird, einfach, weil dann die Genderei sehr schnell lächerlich würde. Manchmal ist eine Formulierung ohne generisches Maskulinum einfach nicht möglich, z. B. in dem Satz „Sie war der erste Schüler der Klasse, der das Schwimmabzeichen schaffte“. Sagt man hier „die erste Schülerin“, dann war sie nur unter den Mädchen die Erste. Gemeint war aber unter allen Mädchen und Jungs der Klasse.

Anstatt sich darüber zu beklagen, dass das grammatisch Männliche das biologisch Männliche angeblich bevorteilt, womöglich beschweren sich die „Sprachexpert*Innen“ eines Tages auch noch darüber, dass der Korkenzieher und der Staubsauger immer nur „männlich“ sind, sollten sie die Menschen lieber über den Unterschied von grammatisch, biologisch und sozial aufklären. Dann würde man auch künftig unter Experten nicht vorrangig Männer verstehen, und die deutsche Sprache bliebe lesbar und unverschandelt.

Manfred Riemer, Mannheim

Dass auch die Mannheimer Stadtverwaltung in ihren amtlichen Verlautbarungen auf die sogenannte Gendersensibilität setzt, ist weder verwunderlich noch neu. Der Generalangriff feministischer Aktivisten auf die Sprache ist schließlich ein uraltes linkes Projekt. Die Berliner Linksradikalenpostille „taz“ praktiziert das schon seit den späten 1970ern.

Alte Hüte sind auch die Begründungen die für derlei wohlfeile Symbolpolitik, die nun wieder vorgetragen werden: Die „sprachliche Benachteiligung“ der Frauen – oder wie jetzt behauptet wird: aller anderen Geschlechter außer dem männlichen – durch die Sprache sei „wissenschaftlich erwiesen“, wie „MM“-Redakteurin Jeschke meint. Ja, bei den politischen Aktivisten unter den Linguisten herrscht da sicherlich Einigkeit. Das kann man durchaus anders sehen. Fragen Sie mal den ehemaligen Direktor Gerhard Stickel vom Institut der deutschen Sprache (IdS), Frau Jeschke!

Aber nein, das geht ja nicht, er ist ja ein Mann, und als solcher ist er befangen, denn er wird „vom generischen Maskulinum nicht ausgeschlossen“. Außerdem hat er sich eindeutig öffentlich gegen die Gender-(Sprach-)Ideologie positioniert. Für viele – auch im heutigen IdS – ein Grund, ihn nicht mehr als den renommierten Linguisten anzuerkennen, der er ist.

Fragen könnten Sie auch einmal die „Frau von der Straße“, zum Beispiel die Alleinerziehende oder die Migrantin oder die Kassiererin. Sie würden interessante Antworten bekommen. „Gesellschaft und Sprache“ ändern sich, schreiben Sie. Da haben Sie tatsächlich recht, aber der springende Punkt ist, dass sich Sprache nur dann ändert, wenn eine Mehrheit der Sprecher von den Änderungen überzeugt ist.

Sprache ist ein überaus komplexes System und das Schöne daran ist, dass den jeweiligen Eliten durch diese Komplexität enge Grenzen gesetzt sind, wenn es darum geht, Änderungen durchzusetzen. Aus historisch-linguistischer Perspektive betrachtet, sind solche Strategien ohnehin immer zum Scheitern verurteilt. Von den „Sprachpuristen“ im 18. Jahrhundert über die nationalsozialistische bis hin zur linkssozialistischen DDR-Diktatur: Sämtliche Elitenangriffe auf die Sprache waren nicht von Erfolg gekrönt. Die Sprache gehört allen, und und das wird sich nicht ändern. Eine schlechte Nachricht auch für die Mannheimer Stadtverwaltung: Sie will sich gendersensibel zeigen, was sie aber tatsächlich mit ihren Sprachvorgaben erreichen wird, ist eine neue Variante des Kanzleistils, der typischen Behördensprache – jetzt eben mit Stern: Sehr geehrte* Bürger*in, Ihnen wird zur Last gelegt, . . .

Stefan Hoffmann, Mannheim

Mit gewissem Amüsement verfolge ich die Bemühungen um Gleichklang der Geschlechter. Man kann darüber grundsätzlich und auch je nach Umständen darüber debattieren, ob sprachliche Änderungen etwas an realen Verhältnissen ändern oder nicht, und – wenn ja – wie prägend oder irritierend dies ist. Zu dem ganzen Debattieren fallen mir folgende unerwähnte Aspekte ein:

1. Warum muss man bei jeder Bestellung und auf jedem Formular angeben, ob man als „Herr“ oder „Frau“ gilt? Das ist ja schon deswegen falsch, weil seit Jahren noch andere Geschlechterformen ausgemacht werden und die Zweiteilung schon deshalb im Ansatz korrigiert werden müsste (siehe Kontra). Ob mich eine Rechnung oder ein Paket unter „Herr“ oder einfach nur mit meinem Vor- und Nachnamen erreicht, ist mir z. B. ziemlich gleichgültig. Warum wird nicht ganz einfach überall auf Herr oder Frau verzichten? An seinem korrekten Namen wird wohl niemand Anstoß nehmen. Die Zeiten, wo ein „Fräulein“ darauf bestand, mit „Fraulein . . .“ angesprochen zu werden, dürften vorbei sein.

2. Ich hatte noch das kurze Vergnügen, „Amtmänninnen“ kennenzulernen. Das fiel dann doch zu vielen als abstruse Verirrung auf. Man (!) entdeckte die „Amtfrau“. Was aber gar nicht mehr dem geistigen Mainstream entspricht, fällt demgegenüber gar nicht auf: Dass die Weiblichkeit noch immer das Anhängsel der Männlichkeit ist! Männer sind „-er“ – Bäcker, Lehrer, Leiter usw. Wenn die Berufe aus dem Französischen abgeleitet sind „-eur“. Nun glaubt man, dem Geschlechtergleichklang ausreichend entsprochen zu haben, wenn man dann ein „-in“ anhängt, „Lehrerin, Erzieherin, Leiterin, Redakteurin“ usw.

Absolut logisch wäre es, hier auf die Abzweigung zu verzichten und einfach von „Lehrin, Erziehin, Leitin“ oder von „Friseuse, Redakteuse, Ingenieuse“ oder auch von Kanzlin statt Kanzlerin sprechen würde. Der Wortstamm sagt alles über die Tätigkeit. Das „-er“ heißt ganz einfach, dass es (immer noch und zunächst!) um einen Mann geht. Man könnte sich auch die grauenhafte Korrektheit und Blasenhaftigkeit der „Wählerinnen und Wähler“, der „Schülerinnen und Schüler“, „Leserinnen und Leser“ (oder umgekehrt!?) schenken.

Fazit: Die männlichen Sprachprofiteure sollten sich in Demut vor den Frauen und allen, die sich dem Männlichen nicht zugehörig fühlen, verneigen und um Nachsicht und Verständnis bitten, dass sie immer von Herzen eingeschlossen sind, wenn in männlichen Formen (eben auch) zu ihnen gesprochen oder oder an sie geschrieben wird. Vielleicht kommt man um der Verständlichkeit und Lesbarkeit, auch der Sprachkultur Willen, doch noch zu einem Bekenntnis einer unmännlichen Geschlechtlichkeit und sieht keine unethische Schlechtigkeit. Ein „man“ sollte Mann/Frau/Drittgeschlechtliche/r (!) deshalb auch nicht mehr krampfhaft und gruppenspalterisch als „Mann“ verstehen wollen.

Roland Weber, Mannheim

Im Schatten von Corona lässt sich eine Maßnahme durchführen, die meines Erachtens nur mit einer Volksabstimmung vorgenommen werden kann, nicht zuletzt um dieses Thema in der Öffentlichkeit breit und unvoreingenommen diskutieren zu können. Frau, Herr oder Diverse Matschke heckt mit einer Gruppierung etwas aus und schon wird es zu einer Gemeindedrucksache mit weitreichenden Folgen.

Welche Befugnisse haben Gemeinderat und Verwaltung? Es gelten nicht mehr demokratische Gepflogenheiten, wenn „eine kleine Gruppe gehört werden will“, so als ob die kleine Gruppe Regeln für den Rest der Bürger bestimmen könne. Hier ist eine unerträgliche egalitäre moralisierende Ideologie tief in unsere Gesellschaft eingedrungen und droht auch unter Einsatz von Sprachregelungen die Gesellschaft zu majorisieren.

Zu fragen bleibt, ob es keine Menschen mehr gibt, die sich trauen, gegen diese Hypermoral anzutreten. Wohlverstanden geht es nicht um Gleichberechtigung ohne Ansehen menschlicher Attribute, die unbestritten ist und auch gefördert werden sollte. Es geht um Übergriffe auf ein Verständigungsinstrument der Bürger, das für die als richtig erkannte Ideologie besetzt werden soll. Eine sicher unfreiwillig komische Seite ließe sich finden, wenn man Substantive nimmt, die grammatikalisch männliches Geschlecht haben. Z. B. könnte „der Depp“ endlich aus seiner Zwangsjacke befreit werden und als „Depp*in“ neu auferstehen.

Bernd Kissel, Mannheim

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