Gesundheitspsychologin Jutta Mata sieht Verlängerung der Kita- und Schulschließungen kritisch

„Immense Schäden für Kinder“

Von 
Steffen Mack
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Jutta Mata, Gesundheitspsychologin an der Uni Mannheim, beim Video-Interview mit dem „MM“. © Steffen Mack

Mannheim. Die Mannheimer Gesundheitspsychologin Jutta Mata gehört zu den deutschen Wissenschaftlern, deren Einschätzung in der Corona-Krise immer wieder gefragt ist. Besonders besorgt ist sie wegen der andauernden Kita- und Schulschließungen.

Frau Prof. Dr. Mata, was erwarten Sie vom Treffen zwischen Angela Merkel und den Ministerpräsidenten an diesem Dienstag?

Jutta Mata: Nach allem, was ich gehört habe, rechne ich mit weiteren Verschärfungen – um die Inzidenzen stärker zu senken und für die neuen, mutierten Coronavirus-Varianten gewappnet zu sein.

Anfang Dezember hatten Sie mit anderen bekannten Wissenschaftlern aus mehreren Bereichen für einen harten Lockdown bis 10. Januar plädiert . . .

Mata: Ja, da gab es – von der Psychologin bis zum Chemiker – eine erfreuliche Einigkeit, dass wir den Lockdown brauchen. Danach wurde ich gefragt, wie ich als Psychologin der Schließung von Kitas und Schulen zustimmen konnte. Meine Antwort war: „Ich habe die Zahlen gesehen, und eine Schließung über Weihnachten, wenn sowieso Ferien sind, ist besser als in voller Fahrt.“

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Gilt das unverändert?

Mata: Schwierig. Ich sehe nach wie vor die Risiken, aber ich frage mich, ob Kitas und Schulen wirklich noch länger zu bleiben müssen – im Ausland wird das teilweise anders angegangen. Mal abgesehen von der massiven Belastung für berufstätige Eltern, sind die Folgen für die Kinder dramatisch. Daher würde ich bei einer andauernden Schließung gern wissen, wie man das kompensieren will. Gibt es Pläne für verstärkten Förderunterricht, für Sommer-Camps, um diese Wissenslücken auszugleichen? Davon höre ich leider gar nichts.

Weil die Politik bevorzugt dort einschränkt, wo es nichts kostet – siehe auch die privaten Kontakte?

Mata: Natürlich muss man wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen. Dennoch verstehe ich nicht, wieso man kaum ein Wort über die Linderung der immensen Schäden für die Bildungschancen von Kindern verliert. Deren Zukunft ist schließlich unser größtes Kapital!

Debattiert wird über eine Verpflichtung der Wirtschaft, Mitarbeiter so weit möglich ins Homeoffice zu schicken. Gute Idee?

Mata: Fakt ist: Beim Lockdown im März/April waren fast doppelt so viele Menschen im Homeoffice wie jetzt. Zur Reduzierung der Kontakte ist da sicher noch Luft. Aber den Kindern, und das ist mein Kernanliegen, wäre damit nicht geholfen. Wenn Eltern im Homeoffice auch noch den Schulunterricht übernehmen sollen, ist das wie Zähneputzen mit Nutella: Es funktioniert einfach nicht.

Es wird wohl wieder an kleineren Schrauben gedreht, etwa dem Bewegungsradius oder einer FFP2-Maskenpflicht in Läden und im Nahverkehr. Wie finden Sie das?

Mata: Ich möchte in diesen Tagen wirklich nicht Politikerin sein. Wahrscheinlich gibt es die eine große Stellschraube nicht. Daher ist – wenn die Infektionszahlen nicht abnehmen – beständiges Nachjustieren der Schräubchen schon sinnvoll.

Sinkt die Akzeptanz der Regeln nicht noch weiter, wenn einzelne Verschärfungen als überflüssig und willkürlich erscheinen?

Mata: Nicht unbedingt. Manche Regeln brauchen Zeit, bis sie ins Bewusstsein einfließen. Denken Sie an die Masken. Anfangs hörte ich mal eine Mutter im Supermarkt zu ihrem Kind sagen: „Die Menschen mit Masken, die sind gefährlich.“ Mittlerweile ist der Mund-Nasen-Schutz selbstverständlich. Umgekehrt kommen einem Filme plötzlich komisch vor, in denen sich Menschen ungeschützt nahekommen. Da merkt man die soziale Normverschiebung.

Dennoch empfinden viele die ständige Verlängerung der Einschränkungen als belastend.

Mata: Das ist auch sehr verständlich. Es ist wie ein Marathon, und wichtig wären klare Wegmarken, wie und wo es unter welchen Voraussetzungen weitergehen kann und wo das Ziel ist. Besonders für Kinder, aber auch für Menschen, für die seit Anfang November de facto ein Berufsverbot gilt und die bisher von den versprochenen Geldern noch wenig bis nichts sehen.

Sind Pläne im Privaten sinnvoll, etwa für den Sommerurlaub? Oder läuft man dann nur Gefahr, wieder enttäuscht zu werden?

Mata: Perspektivische Planung ist aus psychologischer Sicht immer gut. Besonders Was-Wie-Wo-Pläne, was man gern machen würde, sind prima. Nur die Wann-Komponente steht eben noch nicht fest. Auch für Beziehungen ist es wichtig, sich gemeinsam Schönes vorzunehmen.

Wie kommen Sie persönlich durch die Pandemie, haben Sie da vielleicht einen Tipp für andere?

Mata: Bewegung! Ich habe meine schöne Uhr gegen eine praktische getauscht, die meine Schritte zählt und meine Fitness misst. Sport – möglichst an der frischen Luft – hilft beim Stressabbau, steigert das Wohlbefinden und macht zwei- bis drei Mal weniger anfällig für Erkältungen.

Die politische Devise lautet aber weiter: Bleibt bloß daheim!

Mata: Ja. Auch wenn ich Verständnis für Ausgangsbeschränkungen habe, möchte ich alle Entscheidungsträger ermutigen, Bewegung im Blick zu haben. Also Regeln so zu gestalten, dass sie Menschen möglichst viel Bewegung draußen ermöglichen.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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