Handball

Löwen-Trainer Andrésson: „Wir alle müssen es besser machen“

Von 
Marc Stevermüer
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Wirkte angesichts der Höhen und Tiefen seines Teams manchmal ein wenig ratlos: Löwen-Trainer Kristján Andrésson. © imago

Düsseldorf. Das Jahr nahm für die Rhein-Neckar Löwen ein halbwegs versöhnliches Ende. Der Handball-Bundesligist gewann 29:26 beim Bergischen HC, dennoch überwiegt bei den Badenern eher die Enttäuschung. Im Interview vor der EM-Pause spricht der neue Trainer Kristján Andrésson über die bisherige Saison.

Herr Andrésson, zwölf Minuspunkte zum Jahreswechsel hatten die Löwen zuletzt 2009. Damit können Sie nicht zufrieden sein?

Kristján Andrésson: Das sind wir auch nicht. Aber ich frage einmal anders herum? Wann hat es das zum letzten Mal gegeben, dass eine Mannschaft wie jetzt Kiel Ende Dezember bei acht Minuspunkten steht und trotzdem Erster ist? Das ist noch nicht oft vorgekommen und zeigt uns allen, wie ausgeglichen die Liga ist. Jedes Spiel ist schwer, gerade die Mannschaften aus dem Tabellenmittelfeld werden immer stärker.

Hat Sie die Stärke in der Breite überrascht?

Andrésson: Nein, ich habe die Bundesliga in der vergangenen Saison verfolgt und gesehen, dass die Löwen gegen Ludwigshafen oder in Gummersbach verloren haben. In Deutschland wird ein sehr physischer Handball gespielt und mir war klar, dass es auch in dieser Saison schwer wird. Unser Problem ist ganz einfach, das wir in dem einen oder anderen Spiel nicht frühzeitig für die Entscheidung gesorgt haben und dann bestraft wurden.

Was sind die größten Probleme?

Andrésson: Wenn wir gut spielen, sind wir eine starke Mannschaft. Aber: Uns fehlt die Konstanz. In den Phasen, in denen wir schwach spielen, sind wir einfach ganz besonders schlecht. Da fehlt ein Mindestniveau. Wir brauchen mehr Stabilität.

Wie bekommt man die?

Andrésson: Da gibt es nur einen Weg: Wir müssen hart arbeiten. Und wir müssen uns gegenseitig vertrauen. Dann werden wir uns nach der EM-Pause stärker präsentieren.

Wie schwer waren die ersten Monate für Sie persönlich? Der Druck war zuletzt schon extrem.

Andrésson: Wir sind die Rhein-Neckar Löwen und stehen in jedem Spiel unter Druck. Von uns werden immer eine starke Leistung, Leidenschaft und zwei Punkte erwartet. Das gilt aber nicht nur für mich, sondern damit müssen wir alle leben.

Aber noch einmal konkret gefragt: Sie sind neu bei den Löwen, kassieren zwölf Minuspunkte und bekommen auch die Kritik mit. Für Sie dürfte der Einstieg nicht besonders einfach gewesen sein?

Andrésson: Ich glaube, solch eine Situation ist schwierig für jeden Trainer. Es waren meine ersten fünf Monate in der Bundesliga - und diese Zeit war eine große Erfahrung für mich. Ich habe viel gelernt, was mir nun helfen wird. Und ich weiß um das hohe Potenzial meiner Mannschaft. Es ist meine Aufgabe, aber auch die aller Spieler und des gesamten Vereins, es nach der EM-Pause besser zu machen.

Andy Schmid meinte zuletzt, dass die Harmonie im Spiel fehle und dass man sich zusammensetzen und reden müsse. Sehen Sie das auch so?

Andrésson: Ja. Wir haben zwölf Minuspunkte, das ist nicht unser Anspruch. Wir müssen uns Ende Januar zusammensetzen und herausfinden, was für eine Mannschaft wir sind oder sein wollen. Und zwar in jeder Partie. Nicht nur in zwei oder drei Spielen, sondern in jedem Spiel.

Wo sehen Sie Steigerungspotenzial?

Andrésson: Beim Auswärtssieg über den Bergischen HC stimmten Abwehr- und Torwartleistung. Ich denke, dass wir gerade in diesem Bereich noch besser werden können. Wir haben hier und da unentschieden gespielt oder mit einem Tor Differenz verloren. Steigern wir uns in der Deckung, wird auch die Wahrscheinlichkeit größer, dass wir diese engen Partien gewinnen.

Die Löwen spielen mit zwei Abwehr-Angriff-Wechseln, was der BHC ein paar Mal bestrafte. Vor der Saison verfolgten Sie das Ziel, nur mit einem Abwehr-Angriff-Wechsel klar zu kommen. Haben Sie sich von diesem Vorhaben verabschiedet?

Andrésson: Nein. Zu Saisonbeginn haben wir es mit Romain Lagarde im Mittelblock versucht. Er bringt die Physis für diese Position mit. Romain kann das und ich glaube nach wie vor, dass es möglich ist, mit ihm dort zu spielen. Aber er ist auch erst 22 Jahre alt und spielt seine erste Bundesligasaison. Ich hatte schon das Gefühl, dass die Arbeit im Mittelblock ihm zu viel Kraft für das Angriffsspiel geraubt hat. Unabhängig davon bin ich aber nach wie vor ein Trainer, der gerne Spieler auf dem Feld hat, die er auf beiden Seiten einsetzen kann. Allerdings haben wir eben auch diese Abwehrspezialisten im Kader.

Was ist nach der EM-Pause noch drin? Mikael Appelgren glaubt sogar noch an die Meisterschaft …

Andrésson (lacht): Ich wage es nicht zu prognostizieren, mit wie vielen Punkten man Meister wird. Ich weiß nur, dass wir neun Heim- und fünf Auswärtsspiele haben. Meiner Meinung nach ist das ein Vorteil. Aber wir müssen auch zusehen, dass wir ab Ende Januar alle Spieler auf einem hohen Level haben. Wenn uns das gelingt, haben wir große Möglichkeiten.

Welche großen Möglichkeiten hat Schweden denn bei der nahenden Heim-EM mit Ihnen als Trainer?

Andrésson: Eine schwierige Frage. Unser Weg in Richtung Halbfinale ist nicht gerade einfach. Wir können in der Hauptrunde auf Dänemark, Frankreich, Norwegen treffen. Das ist schwer. Da haben es die Deutschen mit Spanien und Kroatien etwas leichter. Wichtig ist, dass wir unsere Vorrundenspiele gegen Polen, Slowenien und Andy Schmids Schweizer gewinnen. Wenn uns das gelingt, ist alles möglich. Wir haben zumindest den Heim-Vorteil.

Nach der EM hören Sie als Nationaltrainer auf. Sind Sie darüber sehr traurig?

Andrésson: Nein, ich spüre keine Schmerzen. Es ist sehr gut, dass ich ab Februar nur noch eine Aufgabe habe. Bei den Rhein-Neckar Löwen wartet sehr viel Arbeit auf mich. Außerdem habe ich eine Frau und zwei Kinder, die auch noch Zeit mit mir verbringen wollen. Mein Vertrag mit dem schwedischen Verband hätte eigentlich erst im Sommer nach Olympia geendet. Aber ich habe meine Frau gefragt, was Sie von dieser Doppelbelastung hält. Und wir waren beide der Meinung, dass nach der EM Schluss bei den Schweden sein muss.

Früh vom Spieler zum Trainer

  • Kristján Andrésson wurde am 27. März 1981 in Eskilstuna (Schweden) geboren. Er ist mit Victoria verheiratet und Vater von zwei Söhnen.
  • Er besitzt sowohl die isländische als auch die schwedische Staatsbürgerschaft und bestritt 13 Länderspiele für die isländische Nationalmannschaft, für die auch sein Vater Andrés Kristjánsson aktiv war.
  • Seine aktive Laufbahn musste Andressón früh wegen einer Verletzung beenden. Mit 26 wurde er Co-Trainer des schwedischen Erstligisten Eskilstuna Guif, mit 27 Chef-Coach.
  • 2016 übernahm er die schwedische Nationalmannschaft und holte 2018 EM-Silber. Nach der EM 2020 hört er als Nationaltrainer auf.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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