Börse - Aktionärsschützer rechnen mit niedrigeren Dividenden / Regionale Konzerne halten teilweise an ihren Vorschlägen fest

„Schockfrost der Wirtschaft“

Von 
Alexander Jungert
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Der wichtigste deutsche Aktienindex Dax hat im ersten Quartal infolge der Corona-Krise ein Viertel seines Werts verloren. © dpa

Frankfurt/Rhein-Neckar. Weniger oder gar keine Gewinnbeteiligung, verschobene Hauptversammlungen und Turbulenzen an den Börsen: Die Coronavirus-Pandemie macht Aktionären zu schaffen. Folgend Fragen und Antworten dazu.

Ist der Dividenden-Boom erst einmal vorbei?

Ja. Nach fünf Rekordjahren in Folge ist er beendet. Denn im besten Fall werden die Unternehmen der Börsenindizes Dax, M-Dax und S-Dax für 2019 insgesamt rund 44 Milliarden Euro an ihre Anteilseigner überweisen – das sind 14 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Mehr als ein Viertel der Unternehmen plant demnach keine Ausschüttung. „Je nachdem, wie lange der virusbedingte Schockfrost der Wirtschaft anhält, könnte das Ausschüttungsvolumen noch deutlich niedriger ausfallen“, heißt es in einer gemeinsamen Studie der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und der privaten FOM Hochschule in Essen.

Was bringt es den Unternehmen, wenn sie die Dividende kürzen oder streichen?

Sie wollen Liquidität sichern, also ein gewisses Finanzpolster erhalten, damit sie handlungsfähig bleiben. Denn viele Unternehmen werden Einbußen bei Umsatz und Gewinn verkraften müssen – und vielleicht sogar auf staatliche Hilfe angewiesen sein. „Jetzt üppige Dividenden auszuschütten und später gegebenenfalls nach dem Staat zu rufen, das passt nicht zusammen“, erklärt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW.

Wie sieht es bei Unternehmen der Metropolregion aus?

Bilfinger hat am Mittwoch als erstes Unternehmen aus der Region bekanntgegeben, den Dividendenvorschlag „zu überdenken“. Der Mannheimer Industrieservicekonzern bereitet sich auf eine Phase „erheblicher Unsicherheit“ für das operative Geschäft vor und hat deswegen auch die Prognose zurückgezogen. BASF hält noch daran fest, ebenso wie der Mannheimer Schmierstoffhersteller Fuchs Petrolub. „Wir haben eine sehr solide Bilanz“, teilt eine Sprecherin mit. Man plane deshalb, die erhöhte Dividende für das Jahr 2019 nach wie vor auszuzahlen. Bei Südzucker etwa gibt es durch das verschobene Geschäftsjahr noch keinen Dividendenvorschlag. Nach Angaben eines Sprechers entscheidet der Aufsichtsrat Mitte Mai darüber.

Welche Aktionäre müssen sich auf magere Zeiten einstellen?

Unter anderem Aktionäre von Banken. Die Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank (EZB) und der deutschen Finanzaufsicht Bafin haben die Institute aufgefordert, vorerst auf die Ausschüttung von Gewinnen zu verzichten. Die Commerzbank hat bereits angekündigt, die geplante Dividende von 15 Cent je Aktie für das Geschäftsjahr 2019 zu streichen. Die Deutsche Bank hat nach einem Milliardenverlust wegen des Konzernumbaus ohnehin keine Ausschüttung geplant. Aber auch Unternehmen aus anderen Branchen sind betroffen: Autohersteller Daimler kürzt die Dividende, die Deutsche Lufthansa streicht sie komplett.

Wenn es eine Ausschüttung gibt – wann wird diese ausgezahlt?

Gezahlt werden Dividenden in der Regel, nachdem Vorstand und Aufsichtsrat eine bestimmte Höhe vorgeschlagen haben und die Hauptversammlung darüber abgestimmt hat. Tatsächlich sind zahlreiche Aktionärstreffen für April und Mai wegen des Coronavirus schon verschoben worden; darunter von Merck, BASF und Fuchs Petrolub. Neue Termine gibt es noch nicht. „Inwieweit Firmen von der gerade geschaffenen Sonderregelung Gebrauch machen, einen Dividendenabschlag auch ohne Hauptversammlungsbeschluss auszuschütten, lässt sich in der Breite noch nicht abschätzen“, erklärt Aktionsschützer Tüngler. Der Walldorfer Softwarekonzern SAP hofft nach wie vor, den Termin am 20. Mai halten zu können. „Aktuell prüfen wir Optionen hinsichtlich einer virtuellen Hauptversammlung, die sich aus einer aktuellen Gesetzesinitiative eröffnen“, erklärt ein Konzernsprecher. Das wäre ein Novum: Nach bisherigem Recht müssen Hauptversammlungen als Präsenzveranstaltungen stattfinden.

Wie hat sich die Zahl der Aktionäre in den vergangenen Jahren entwickelt?

Obwohl die Börsen im vergangenen Jahr boomten, sank die Zahl der Aktionäre. Knapp 9,7 Millionen Menschen besaßen nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts Anteilsscheine und/oder investierten in Aktienfonds. Sowohl 2017 als auch 2018 war die Zahl im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Hingegen kehrten im vergangenen Jahr gut 660 000 Menschen der Börse den Rücken. Viele Bürger sehen den Aktienmarkt vor allem als einen Ort mit vielen Risiken und haben Angst vor Verlusten. (mit dpa)

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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